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Können die Naturwissenschaften alles erklären?  
  Die Erklärungsmöglichkeiten der Wissenschaften stoßen auf fundamentale Grenzen. Der Zufall und die Komplexität dynamischer Systeme sind zwei Beispiele für unüberwindbare Barrieren unseres Erkenntnisstrebens.  
Was bedeutet es, einen Sachverhalt wissenschaftlich zu erklären? Im Selbstverständnis der Naturwissenschaften heißt dies zunächst, dass man in der Natur allgemeine Regelmäßigkeiten, so genannte Naturgesetze, erkennt und formuliert. Erklären heißt dann, dass ein spezielles Ereignis aus diesen Naturgesetzen abgeleitet werden kann.
Der Laplacesche Dämon
Vor allem die Physik war mit dieser Strategie im Anschluss an die von Newton und Leibniz formulierte Infinitesimalrechnung erfolgreich. Der französische Astronom und Mathematiker Jean Pierre Simone de Laplace war von dem Optimismus der Aufklärung erfasst, als er die Vorstellung entwickelte, dass ein Dämon, dem alle Kräfte dieser Welt bekannt seien, die Zukunft bis ins kleinste Detail berechnen könne.

"Eine Intelligenz, die in einem gegebenen Augenblick alle Kräfte kennte, mit denen die Welt begabt ist, und die gegenwärtige Lage der Gebilde, die sie zusammensetzen, und die überdies umfassend genug wäre, diese Kenntnisse der Analyse zu unterwerfen, würde in der gleichen Formel die Bewegungen der größten Himmelskörper und die des leichtesten Atoms einbegreifen. Nichts wäre für sie ungewiss, Zukunft und Vergangenheit lägen klar vor ihren Augen".
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Pierre Simon de Laplace, Philosophischer Versuch über die Wahrscheinlichkeit, Harri Deutsch 1996.
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Der Tod des Dämons
Diese optimistische Weltsicht wurde in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts durch die Entwicklung der Quantenmechanik erschüttert. Im Zuge der fortschreitenden Erforschung der kleinsten Materiebausteine mussten sich die Physiker mit dem Gedanken anfreunden, dass dem menschlichen Erkenntnisstreben eine prinzipielle Schranke vorgegeben ist.

Die vom deutschen Physiker Werner Heisenberg formulierte Unschärferelation besagt, dass zwei komplementäre Größen, wie etwa Ort und Impuls eines Teilchens, prinzipiell nicht beliebig genau bestimmt werden können.

Damit wurde klar, dass der von Laplace ersonnene Dämon selbst als Phantasievorstellung den Eigenheiten der Natur widerspricht. Das beliebig genaue Wissen um "alle Kräfte, mit denen die Welt begabt ist", ist nicht einmal theoretisch möglich.
Zufall: Wurzel aller Dinge?
Zu allem Überdruss hielt in dieser Zeit auch der Zufall Einzug in die erhabenen Hallen der exakten Wissenschaften. Insbesondere die sogenannte Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik von Forschern wie Niels Bohr, Werner Heisenberg und Wolfgang Pauli betonte den Umstand, dass gewisse Quantenprozesse offensichtlich ohne erkennbare Ursache ablaufen.

Der österreichische Physiker und Entwickler der Wellenmechanik, Erwin Schrödinger, brachte im Jahr 1922 bei seiner Antrittsrede an der Universität Zürich folgende Überzeugung zum Ausdruck:

"Die physikalische Forschung hat in den letzten vier bis fünf Jahren klipp und klar bewiesen, dass zum mindesten für die erdrückende Mehrzahl der Erscheinungsabläufe ... die gemeinsame Wurzel der beobachteten strengen Gesetzmäßigkeit - der Zufall ist."
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Erwin Schrödinger, "Was ist ein Naturgesetz?", Oldenburg 1997.
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Einstein als Schuster
Allerdings war nicht die ganze Forschergemeinde mit diesem Paradigmenwechsel einverstanden. So bekannte etwa Albert Einstein seine Enttäuschung über die allgemeine Verabschiedung vom deterministischen Weltbild:

"Der Gedanke, dass ein in einem Strahl ausgesetztes Elektron aus freiem Entschluss den Augenblick und die Richtung wählt, in der es fortspringen will, ist mir unerträglich. Wenn schon, dann möchte ich lieber Schuster oder gar Angestellter in einer Spielbank sein als Physiker."
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Kurt Baumann, Roman U. Sexl, Die Deutungen der Quantentheorie, Vieweg 1992.
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Schmetterlingseffekt
Eine weitere Barriere der Erkenntnis wurde 1960 von dem am Massachusetts Institute of Technology forschenden Meterologen Edward Lorenz entdeckt. Er simulierte das Wetterverhalten mittels eines Computerprogramms und wiederholte einige Zeit später die Berechnung.

Das Ergebnis des zweiten Versuchs brachte aber völlig unterschiedliche Ergebnisse.
Der Grund hierfür war, dass er aus Bequemlichkeit die Eingangsgrößen nur bis zur dritten Stelle hinter dem Komma eingegeben hatte, während die erste Berechnung mit Zahlen bis zur sechsten Kommastelle durchgeführt worden war.

Kleinste Unterschiede in den Anfangsbedingungen dynamischer Systeme - wie etwa der Atmosphäre - können sich offensichtlich nach kurzer Zeit zu großen Wirkungen aufschaukeln. Diese Einsicht veranlasste Lorenz zu dem klassischen Ausspruch: "Schon der Flügelschlag eines Schmetterlings über Hong-Kong kann einen Orkan über Alaska auslösen."
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Die Zukunft ist offen
Daraus folgt, dass sich die Zufälle der Quantenwelt bis in unsere makroskopischen Dimensionen fortpflanzen können. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Erforschung der biologischen Evolution, die ein dynamisches System par excellence ist.

Der französiches Biochemiker und Nobelpreisträger Jacques Monod konstatierte im Jahr 1970: "Der reine Zufall, nichts als der Zufall, die absolute blinde Freiheit ist die Grundlage des wunderbaren Gebäudes der Evolution."
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Jacques Monod, Zufall und Notwendigkeit, Piper 1996.
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Ontologische Grenzen
Darüber hinaus gibt es Dinge, mit denen sich die Naturwissenschaften prinzipiell nicht befassen wollen, denn als wissenschaftlich relevant gelten nur jene Ereignisse, die reproduzierbar und/oder analysierbar sind. Daher stellen, wie der theoretische Physiker Herbert Pietschmann betont, wesentlich einmalige und ganzheitliche Ereignisse eine "ontologische Grenze der naturwissenschaftlichen Erkenntnis" dar.
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Herbert Pietschmann, Phänomenologie der Naturwissenschaften, Springer 1996.
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Unsagbares
Wissenschaftliche Erklärungen haben immer einen begrenzten Gültigkeitsbereich. Jenseits dieser Grenzen gilt: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen." Zumindest in der Sprache der Wissenschaft.
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Ludwig Wittgenstein, Tractatus Logico-Philosophicus, Suhrkamp 1963.
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Robert Czepel, science.ORF.at
 
 
 
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  demophilo | 02.04, 11:50
Kein Gott
Wenn der Zufall verantwortlich ist für die grundlegenden Prozesse unserer Welt, dann ist die Existenz eines Gottes damit widerlegt. Die Zukunft ist noch nicht bestimmt, also gibt es auch kein Ziel auf das sich die Welt zu bewegt. Wir sind frei. Willensfreiheit ist keine Illusion.
 
 
  aundf | 02.04, 13:25
kann man sich zw zwei dingen nicht entscheiden nimmt man das dritte. ich führe nun die physikalische größe des komischen zufalls ein. bedenke etwa die schnabelzeichnung von kuckucken-sie ist ident mit jenen der küken des betrogenen elternpaares oder den brunftduft von orchideen nach hummeln wo offenbar die pflanze tierische codes knacken konnte. es gibt wohl diesen gott nach unserer vorstellung sicher nicht aber auch nicht den zufall. hingegen ist die zukunft so fix wie die vergangenheit-ich kann mich an sie erinnern und auch gibt es keinen freien willi.
  crazychatter18 | 02.04, 14:02
was ist "zufall"?
hilf' mir bitte. ich habe noch keine zufriedenstellende erklärung für dieses wort gefunden. was soll es bedeuten?
mfg
crazychatter18
  aundf | 02.04, 15:11
hi! der zufall scheint unser ersatzgott zu sein. ich betrachte ihn als naturgesetz wie etwa das von der gravitation. wir kommen nur weiter wenn wir die frage warum ersetzen durch wozu. kausales denken muss immer an grenzen stoßen. zufall ist eine zutiefst lineare begrifflichkeit denn sie beansprucht die antwort auf eine warum-frage zu sein. mit hilfe der nicht-linearen wissenschaften werden maschinen intelligenz entwickeln. wir vollziehen gerade eine mutation zum cyborg. zumindest wird sich unsere rechenkapazität erhöhen an der es mir momentan auch mangelt aber bei gutem wind und falls es sein muss kann ich das auch beheben ;)
  aundf | 02.04, 15:22
ps: zufall: wenn irgendetwas grundlos oder sinnlos geschieht. nun sag ich nichts ist grundlos bzw die diese frage ist absurd.
  aundf | 02.04, 09:29

diese durchaus verbreitete schlussfolgerung ist einseitig; deutlich geworden sind lediglich die grenzen der linearen wissenschaften.
richtig ist dass unsere mittel zur kommunikation alsbald an grenzen stoßen-zumindest ist es unmöglich durch die sprache allein alle eindrücke auszudrücken.
 
 
  crazychatter18 | 02.04, 14:03
lineare wissenschaften?
hi! was sind den "lineare wissenschaften" der ausdruck ist mir neu. mfg crazychatter18
  aundf | 02.04, 14:45
im wesentlichen die klassischen auf kausalität beruhenden wissenschaft nennt man lineare. der überbegriff für nicht-lineare ist die chaostheorie es gibt da schon div. sparten. http://www.google.at/search?q=cache:NhyRI3SiPCIC:www.agnld.uni-potsdam.de/~shw/Hidden/Art%2BChaos/Chaos.doc+nichtlineare+wissenschaften&hl=de
  crazychatter18 | 02.04, 17:27
danke!
danke für deine antworten. ich muss dir leider sagen, dass ich mit einigem was du schreibst nicht unbedingt etwas anfangen kann bzw. damit nicht übereinstimme. vielleicht mache ich mir die sache auch zu schwer, mag sein. ich werde noch etwas darüber nachdenken müssen, um mir über einiges klar zu werden. mfg crazychatter18
  dietmar13 | 31.03, 12:50
den altösterreicher gödel nicht vergessen,
der zeigte, daß nicht einmal die/eine zahlentheorie innerhalb ihrer selbst widerspruchsfrei bewiesen werden kann (gödelsche unvollständigkeitssatz, 1931), und damit das anspruchsvolle hilbertprogramm (= neubegründung der mathematik durch den nachweis ihrer widerspruchsfreiheit) nur 14 jahre nach seiner aufstellung zu fall brachte. Wenn nicht einmal die widerspruchsfreiheit der sprache vieler/aller? naturgesetze - die mathematik und die logik - bewiesen werden kann, welchen wert haben dann die formulierten sätze dieser sprache (="naturgesetze")?
dieses prinzip der unmöglichkeit des nachweises der widerspruchsfreiheit, bzw. des beweises aller sätze INNERHALB eines systems kann/muß man auf alle systeme ausdehnen. insbesondere auf den menschlichen verstand, dessen vollständige erklärung schon von so manchem biologen/neurowissenschafter/(naiven) philosophen prophezeit wird (wahrscheinlich high von den rasanten (angeblichen) fortschritten der modernen hochtechnisierten molekularbiologie, die 'bullen' haben wohl gerade die nase vorne).
 
 
  sensortimecom | 31.03, 16:43
Gödel: Ein österreichisches Schicksal...
...einer der größten Denker und Mathematiker, die je gelebt haben.

Von ihm sagte Einstein einmal:
"Ich bin stolz darauf, die Ehre zu haben, mit ihm einige Runden durch den Universitätspark spazieren und diskutieren zu dürfen..."

GÖDEL wurde - so wie viele andere österreichische Genies - aus unserem Land vertrieben. Er konnte die weltanschaulichen Konsequenzen seiner eigenen(!) Theorien nicht verkraften, und starb 1978 in Princeton, USA, an einer unerklärlichen Krankheit.

GÖDEL hielt es als ERSTER Wissenschaftler "Zeitreisen" (auch in die Vergangenheit!) für möglich und arbeitete 1952 ein physikalisches Modell dafür aus, das bis heute unwiderlegt blieb.
  crazychatter18 | 01.04, 04:14
widerspruchsfreiheit ist doch möglich?
hi! aber das man die widerspruchsfreiheit innerhalb der mathematik nicht beweisen kann heißt doch noch nicht, dass es sie nicht gibt! nebenbei finde ich es interessant, dass man diese grenzen der erkenntnis innerhalb der mathematik immerhin aufzeigen kann und das mit den mitteln der mathematik. das ist doch beeindruckend. umso schlimmer finde auch ich es, dass der name "gödel" wiedermal vergessen. das ist 1000x schade.
nebenbei die mögliche widersprüchlichkeit der mathematik muss den naturwissenschaften, die diese sprache verwenden noch keinen schaden zufügen. immerhin ist zb. die physik eine empirische wissenschaft, hat also zusätzliche kontrollmöglichkeiten neben der logik. nebenbei kann sich die widersprüchlichkeit der mathematik auch in theorien zeigen zu denen keine entsprechung in der wirklichkeit existiert.
mfg
crazychatter18
  sensortimecom | 01.04, 09:51
Widerspruchsfreiheit..
Ja, es gibt absolute Vollständigkeit, Beweisbarkeit und Widerspruchsfreiheit - aber nur in einem axiomatischen formalen System, das ausschließlich aus Ketten bzw. Verstreichzeit-Reihen (TW/TW') resultiert.

Siehe dazu:
www.sensortime.com/time-de.html
www.sensortime.com/jhwh.html

mfg Erich B.

(Nützlich zum genauen Verständnis ist u.a. eine Studie von "Goedel, Escher, Bach" v. Douglas Hofstaedter...)
  crazychatter18 | 01.04, 11:23
bzgl. "gödel - escher - bach"
hi!
ja, das buch wollte ich mir schon seit längerem zulegen. bin aber bis jetzt nie dazu gekommen. das buch soll ja geradzu fantastisch sein ... naja. danke auch für die links. auch wenn ich sagen muss, dass ich an einer "ultimativen technologie" wenig interessiert bin. mich interessiert nur die mathematik (und dazu findet sich nicht viel eher am schluss). ich will ja auch nicht so sein und gebe einen link bzgl. gödel an (der direkt auf seine unvollständigkeitssätze bezug nimmt): http://sun-10.math-inf.uni-greifswald.de/logik/schreiber/goedel .
sollte ich irgendwann eine erhellendere seite finden so teile ich dies mit.
mfg
crazychatter18
  crazychatter18 | 01.04, 11:40
hm ... das schaut ganz nett aus.
hi! die seite scheint was herzugeben. ist zwar englisch aber bitte:
http://www.sm.luth.se/~torkel/eget/godel.html
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