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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Technologie .  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Lieber Peter Weinberger
Ein Brief
 
    Deine Idee eines öffentlichen Dialogs gefällt mir gut, obwohl mir der Vergleich mit dem Briefwechsel zwischen Max Born und Albert Einstein die Sprache - oder eigentlich die Schrift - verschlägt  
Die fundamentalen Fragen der Wissenschaft
 
 
Vor solchen Titanen des Geistes kann man eigentlich nur schweigen. Ich sehe es als Problem, dass sich heute viel weniger Leute mit wirklich fundamentalen Fragen in den Wissenschaften
auseinandersetzen als damals. Darüber sollten wir uns vielleicht auch einmal diskursiv auseinandersetzen.
'Dischkurrieren' wir also....
 
 
Dein Argument, dass die Wissenschaftler in Österreich mehr in der
Öffentlichkeit sagen sollten, hat mich allerdings überzeugt. Sei's daher drum, 'dischkurrieren' wir also, wie es so schön in Wien heißt, und coram publico noch dazu.
Nicht der einzige Exote in Davos
 
 
Auch ich war verwundert, zum Weltwirtschaftsforum nach Davos eingeladen zu werden. Meine Erwartung war, dass es dort nur so von Wissenschaftlern wimmelt, die irgendwas Nützliches gemacht haben oder die wenigstens irgendwas, das nützlich sein könnte, irgendwelchen Investoren einreden möchten.

Sozusagen das simple Bild einer Vermarktung von Ideen, eines Suchens nach Möglichkeiten einer unmittelbaren wirtschaftlichen und damit profitablen Umsetzung. Weit gefehlt! Ich war bei weitem nicht der einzige Exote, der über eine Thema ausschließlich deshalb sprach, weil es ihn faszinierte. Da ging es etwa um so verschiedene Fragen wie "Auf welche Weise formen uns
die verschiedenen Religionen?" oder "Was ist Bewußtsein?" um nur zwei Beispiele zu nennen.
Langfristige Entwicklungen
 
 
Offenbar ging es um viel mehr als um unmittelbare wirtschaftliche
Anwendbarkeit oder Verwertbarkeit. Du kannst natürlich argumentieren, daß diese Fragen langfristig sicher auch von ökonomischer Bedeutung sein werden.

Das wird wohl so sein, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass dies das Motiv für die diversen Gespräche und Themen in Davos gewesen ist. Ich hatte den Eindruck, daß es ganz wesentlich um eine Auseinandersetzung mit langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten ging. Das sind ja auch die wirklich interessanten Fragen, die wir uns stellen können.
...
Vergleich der Weltbilder
Denken wir uns etwa in eine Zeit vor 100 Jahren zurück und vergleichen wir das damalige Weltbild mit dem heutigen. Da blieb in den letzten hundert Jahren fast kein Stein in unserem Weltbild auf dem anderen.

Nur ein paar Beispiele: Im politischen Leben ist Demokratie genauso zur Selbstverständlichkeit geworden wie damals Loyalität zum Herrscherhaus eine Selbstverständlichkeit war. Und durch die Entdeckungen der Molekularbiologie und der Verhaltensforschung ist der Homo Sapiens in den letzten hundert Jahren von seinem vermeintlichen Thron gestoßen worden und die Quantenphysik ... na ja, deren Revolution unseres Weltbildes ist ja bis heute nicht verdaut.

Wo und wohin geht es also weiter in den nächsten hundert Jahren? Genau darum gehts und nicht um wirtschaftliche Umsetzbarkeit.
...
Zur Ecophysik
 
 
Zu der von Dir erwähnten Ecophysik, also verkürzt der Anwendung
physikalischer Denkweisen und Arbeitsmethoden zur Untersuchung ökonomischer Vorgänge:

Die ist eines der vielen Beispiele, wie Physiker ihr analytisches Wissen und ihre Problemlösungsstrategien sehr erfolgreich auch außerhalb der Physik einsetzen können. Wirklich fundamentale interessante Fragestellungen kann ich da aber nicht so erkennen, wie bei den oben erwähnten Problemkreisen.
Physik: Ausbildung zum Problemlösen?
 
 
Auch in meinem Umfeld ist das von Dir erwähnte Phänomen zu beobachten, daß Physikerinnen und Physiker Berufe in dieser Richtung ergreifen. Ein Absolvent hat mit einmal erklärt, dass er durch Anwendung eines Computerprogrammes, das er zur Berechnung der zeitlichen Entwicklung von Reaktionen von Elementarteilchen entwickelt hatte, so umbauen konnte, so dass es zur Berechnung der zeitlichen Entwicklung von Börsenkursen brauchbar war.

Damit habe er in einem Jahr für sein Unternehmen mehr Geld verdient, als seine gesamte Lebenslohnsumme sein werde. Nun, so was freut mich, weil es zeigt, daß wir die Leute tatsächlich als generelle Problemlöser ausbilden, wenn sie Physik studieren.
...
Es macht mich aber auch nachdenklich, da ich in der Entwicklung unserer Gesellschaften einen Trend sehe in der Weise, dass diejenigen, die tatsächlich zur Wertschöpfung beitragen, anteilsmäßig weniger werden.
...
Begeisterung für die Wissenschaft
 
 
Ich bin daher froh, dass gerade in der letzten Zeit einige meiner
Absolventinnen in Ihrer Berufsentscheidung bei der Physik selbst
geblieben sind, obwohl eine Tätigkeit in Ecophysics lukrativer gewesen wäre. Hier hilft, daß die Berufsaussichten für Physikerinnen und Physiker derzeit so hervorragend sind, wie sie nach meiner persönlichen Erinnerung noch nie waren.

In der Tat wird es für uns immer schwieriger, junge Leute an der Universität zu halten, da die Industrieangebote immer lukrativer werden. Aber zum Glück gibt es auch in der nächsten Generation viele von der Wissenschaft Begeisterte.

Mit herzlichem Gruß
Dein
Anton
->   Anton Zeilingers Homepage
 
 
 
Der Briefwechsel Anton Zeilinger - Peter Weinberger wird in science.orf.at fortgesetzt. Hier sind die Links der folgenden Beiträge:
->   Lieber Anton Zeilinger! Ein Brief
->   Lieber Peter Weinberger! (28.3.2001)
->   Lieber Anton Zeilinger! (17. 4. 2001)
->   Lieber Anton Zeilinger! (3.7.2001)

 

 
ORF ON Science :  Anton Zeilinger :  Wissen und Bildung 
 
  lang1 | 07.02, 23:24
Verwertbarkeit
Ich gebe Ihnen recht damit, dass sich nicht genug Menschen mit den fundamentalen Fragen auseinandersetzen. Ich bin jedoch auch der Meinung, dass es wichtig ist, die Verwertbarkeit und die moeglichen Anwendungen der Resultate, die erzielt werden, hervorzuheben. Man muß sich bewußt sein, daß es schließlich die Öffentlichkeit ist, die es uns ermöglicht, Grundlagenforschung zu betreiben. 'Die Anwendungen von denen Prof. Weinberger gesprochen hat, sind sozusagen der 'return on investment' den sich die Öffentlichkeit erwarten darf.
 
 
 
  jedi | 09.02, 18:42
was soll das heissen?
die allgemeinheit bestimmen soll in welche richtung Grundlagenforschung betrieben wird?
Dann gäbe es heute z.B. keinen Laser!
Überleg dir mal die Konsequenzen...
Laser ist ein Produkt der Grundlagenforschung, und am Anfang ahnte man nicht im entferntesten was für eine gewaltige Rolle er mal spielen wird!
Wo die Grundlagenforschung von heute morgen anwendung findet kann man nicht sagen, nicht im geringsten, das würde an Hellseherei grenzen!
 
  lang1 | 09.02, 21:18
>jedi
Selbstverstaendlich bin ich mir des Wertes der Grundlagenforschung voll bewußt. Ohne Grundlagenforschung wuerde es in kurzer Zeit auch keine neuen Anwendungen mehr geben. Trotzdem soll man das nicht als Argument benutzen, um sich von jeder moeglichen Anwendung fernzuhalten. Denn, um auf Ihr Beispiel zurueckzukommen, wenn sich die Leute nicht hingesetzt haetten und den Laser nach den theoretischen Ideen von Einstein auch tatsaechlich verwirklicht haetten und sich damit mit der Anwendung der Grundlagen beschaeftigt haetten, waere die ganze Grundlage heute nicht viel mehr als eine nette Gendankenspielerei.
 
  jedi | 13.02, 01:29
und darum
Ist grundlagenforschung mindestens so wichtig wie die anwendungen, denn sie ist der Sockel, das Fundament auf dem unsere Gesellschaft steht, auch wenn man sich dessen meist nicht bewust ist!
 
  sensortimecom | 06.02, 20:54
Na hat's mit den Börsenkurs-Berechnungen auch geklappt?
Sie schreiben:
Ein Absolvent hat mit einmal erklärt, dass er durch Anwendung eines Computerprogrammes, das er zur Berechnung der zeitlichen Entwicklung von Reaktionen von Elementarteilchen entwickelt hatte, so umbauen konnte, so dass es zur Berechnung der zeitlichen Entwicklung von Börsenkursen brauchbar war.
ENDLICH IST MIR KLAR, WARUM DIE BÖRSEN WELTWEIT DERART VERRÜCKT SPIELEN. Börsenkurse von zukünftigen Zeitpunkten
"vorausberechnen" heißt auch: sie "mitzubestimmen"! Weiß der gute Mann auch, dass Dutzende hochkarätige Mathematiker außer ihm dasselbe tun - und hat er noch nie was von Synergie-Effekten gehört?
 
 
 
  jedi | 06.02, 20:14
ich bin so arrogant
mir da einen Kommentar da nicht zu verkneifen:

Ich glaube das neue UNI-Dienstrecht wird es (leider) noch weniger interessant machen an den UNIs zu forschen.

Aber gute Berufsaussichten sind doch was motivierendes!
 
 
 
  celloman | 07.02, 11:31
Was nützen gute Aussichten
wenn das Interess am Physikstudium bzw. generell an naturwissenschaftlichen Studien zur Zeit sinkt. Ich - als Lehrer für Physik an einer HTL und sich ständig an der Uni Weiterbildender - habe zumindest den Eindruck, dass gegenüber meiner Studienzeit in den 70ern das Interesse nachgelassen hat. Mann/FRau studiert lieber Wirtschaft oder Psychologie - mit den "schierigen" Fächdern wie Mathematik, Physik will Mann/FRau lieber nichts zu tun haben!
 
  celloman | 07.02, 11:32
Was nützen gute Aussichten
wenn das Interesse am Physikstudium bzw. generell an naturwissenschaftlichen Studien zur Zeit sinkt. Ich - als Lehrer für Physik an einer HTL und sich ständig an der Uni Weiterbildender - habe zumindest den Eindruck, dass gegenüber meiner Studienzeit in den 70ern das Interesse nachgelassen hat. Mann/Frau studiert lieber Wirtschaft oder Psychologie - mit den "schwierigen" Fächern wie Mathematik, Physik will Mann/Frau lieber nichts zu tun haben!
 
  jedi | 09.02, 18:35
wem sagst du das!
Nicht umsonst wird in Graz und Linz so massiv in der Physik eingespart!
Du bist in der Idealen Position für uns Physiker werbung zu machen!
Und die Ausbildung ist da sogar eher besser als in wien, weil ma da wesentlich individueller betreut wird; zugegeben da gibt es vielleicht keine so bekannten Physiker, aber deswegen ist es nicht minder spannend!
 
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