Wie kam der CHIP auf den Laufschuh?               

DIE ARMSTRONG-DOKUMENTATION.

Dieser Bericht ist für JEDEN interessant, der als Erfinder bzw. Entwickler mit amerikanischen Interessenten zu tun bekommt. Es handelt sich praktisch um eine Art "Präzedenzfall":

 

Wie die Zeitnahme bei Marathon- oder Volksläufen aller Art heute abgewickelt wird, ist heute allgemein bekannt:

 

- am Körper (meist am Schuh) befestigt befindet sich ein Chip, der einen digitalen

   Code enthält, der über Name, Alter, Geschlecht usw. des Läufers Aufschluss gibt

 

-  an START und ZIEL (ev. auch an Zwischenzeiten) befindet sich KEINE

   Lichtschranke, sondern ein KABEL, bei dessen Überquerung die Daten des

   Läufers induktiv/sensorisch erfasst und vom Zeitmesscomputer verarbeitet

   werden.

 

-  die jeweiligen Zwischenzeiten plus Gesamtzeit werden datenbezogen

   gespeichert, sodass jedem Läufer die entsprechenden Zeiten zugeordnet

   werden können.

 

Ein derartiges System gab es vor 25 Jahren noch nicht. Die Zeiten mussten mit Lichtschranken Läufer für Läufer (manchmal bis zu 10 000) erfasst werden, was hohen Personalaufwand erforderte und zu vielen Reklamationen führte.

 

Mein Patent US 4,245.334 zeigte erstmals 1981 eine Möglichkeit auf, dieses Problem in den Griff zu bekommen: und zwar durch die Anbringung einer miniaturisierten elektronischen Einheit unmittelbar AM KÖRPER eines Läufers selbst (on-board; sozusagen); wobei der zusätzliche Vorteil darin besteht, dass der Läufer eine kleine Uhr mittragen kann, auf der er seine Zwischenzeiten samt Gesamtzeit usw. SELBER ABLESEN und sich dabei selber kontrollieren kann.

 

Als Inhaber des Patents US 4,245.334, das die elektronische Erfassung der benötigten Zeit für eine zurückgelegte Strecke auf einem bewegten Objekt schützt, erhielt ich am 23. Juli 1981 - ein halbes Jahr nach der Erteilung des Patents - folgendes Schreiben von Mr. Russell. O. Armstrong, Mitarbeiter eines Rechtsanwaltsbüros in Washington, D.C.:                              

                   

 

Wie klar ersichtlich, wollte Mr. Armstrong ein System auf den Markt bringen, das die Zeitnahme von Massenevents (z.B. Marathonläufen) revolutionieren und vereinfachen sollte, indem man Elektronik zur Zeitmessung AUF DAS LAUFENDE OBJEKT SELBST anbringt – eben, wie es in meinen Patenten US4245334 und AT366834 erstmals beschrieben wurde.

Armstrong wusste nicht, WIE ein solches System in technischen Details funktionieren sollte. Dazu brauchte er meine Unterstützung. Er war darüber informiert, dass es mir gelungen war, ein solches System zu entwickeln, das zufrieden stellend arbeitete.

In den folgenden Monaten versuchte ich verzweifelt, einen Rechtsanwalt zu finden, der beim Kontakt mit Mr. Armstrong behilflich wäre. Vergebens. Ich rief auch die oberösterreichische Kammer der Gewerblichen Wirtschaft an, und fragte um Rat, worauf die Antwort kam: „Sie sind nicht Mitglied bei uns. Tut uns leid. Aber eines sage ich Ihnen gleich: Wenn es sich um einen US-Anwalt handelt, müssen Sie gleich doppelt und dreifach vorsichtig sein". Nun – davon hatte ich nichts.

Immerhin half die WK wenigstens, Daten von Mr. Armstrong ausfindig zu machen und über seine Firma „Road Race America Inc." zu recherchieren. 1983 stellte sich heraus, dass diese Zeitnahme-Firma tatsächlich existierte und auch über Büro und Sekretärin verfügte.

Ich suchte nach Unterstützung durch meinem Linzer Patentanwalt Ing. Heiner Hübscher, der jedoch sofort abwinkte. Für Fragen der Verwertung meines Patents sei er nicht zuständig, und überhaupt sollte ich „mich tunlichst zu meinem Patent nicht äußern, denn sonst sei es weg". (Was dieser Satz bedeutete, erfuhr ich erst später, als ich Opfer einer versuchten Patententeignung wurde).

Daraufhin nahm ich die Verhandlungen mit Mr. Armstrong selber in die Hand, obwohl ich vom Abfassen eines Lizenzvertrages in englischer Sprache kaum eine Ahnung hatte. Russell Armstrong drängte auf einen raschen Abschluss; in der irrigen Ansicht, es würden noch mehrere andere Interessenten aus den USA kommen und mir Lizenzanbote unterbreiten, zögerte ich jedoch.

Blauäugig, im guten Glauben an die Rechtsbeständigkeit meiner Patente und an das Patentwesen als solches vertraute ich jedoch Mr. Russ Armstrong einige Details über zukünftige Features eines solchen Zeitnahmesystems an. In einem Schreiben von 1982 empfahl ich, dass man in weiterer Folge einen CHIP entwickeln sollte, der die Daten des Läufers enthält und am Körper getragen wird.

Schließlich sandte mir Mr. Armstrong selber einen Vertragsentwurf (Teil davon s. unten), in dem von einer 50/50– Beteiligung keine Rede mehr war, und den ich daher in dieser Form nicht akzeptierte. Außerdem begann ich an der Professionalität und Seriosität des Anbieters zu zweifeln.

Hier ein Auszug (Seite 1):

    

In den folgenden Monaten versuchte ich die Lizenzverhandlungen erneut in Gang zu bringen, jedoch erhielt ich von Mr. Armstrong keine Nachricht mehr. Auch ein Schreiben durch meinen Rechtsanwalt nutzte nichts.

Hingegen erhielt ich durch einen US-Patentsuchdienst (M. Myers) im Jahre1986, zwei

Monate nach Gründung meiner eigenen Firma SENSOR TIMING GmbH. die Nachricht, dass das US-Patentamt an Armstrong ein Patent erteilt hätte, in dem ich als Vor-Erfinder zitiert wurde ( US4571698 ) .

Aus der Patentschrift geht klar hervor, dass Mr. Armstrong – ohne auf mein Einverständnis zu warten, und ohne Lizenzvertrag – die Zeichnungen aus meinem Ursprungspatent US4245334 einfach abgezeichnet und als komplementären Teil in seine Anmeldung übernommen hatte. Seine Beschreibung war übrigens völlig funktionsunfähig, denn er glaubte, man könne mit einem einfachen 555-Timer die Zeitnehmung durchführen…

Ich wartete danach noch Jahre auf ein Lebenszeichen durch Armstrong, jedoch vergebens. Der Mann wollte mit dem Kopf durch die Wand; wahrscheinlich machte er irgendwann Pleite, denn er konnte die Patentkosten nicht mehr bezahlen – sein Patent erlosch.

Andere Leute übernahmen das Konzept von uns beiden (Armstrong/Bieramperl), verwendeten einen neuen, von Texas Instruments entwickelten RFID-Chip zur Zeitnahme, und wurden tatsächlich reich. Mit einer Erfindung bzw. einer Idee, die nicht von ihnen stammte. Heute gibt es kaum einen Volkslauf oder irgendeine Leichtathletik-Veranstaltung, in der nicht ein CHIP am Laufschuh zum Einsatz kommen würde.

Ob Mr. Armstrong heute noch lebt, und wenn, in welchem Metier er heute tätig ist, entzieht sich meiner Kenntnis.

Leider ist dieses Geschehnis ein Musterbeispiel dafür, wie Erfinder heutzutage:

a) einerseits durch mangelnde Unterstützung durch die Öffentlichkeit, Rechtsanwälte,     Patentanwälte und Medien…

b) anderseits durch gegenseitiges Misstrauen..

….. um Lohn und Anerkennung gebracht werden. Selbst dann wenn, wenn sie zur Kooperation bereit wären. Und wie man sieht, beschränkt sich dieses Dilemma nicht nur auf bestimmte Länder, sondern ist ein weltweit grassierendes Phänomen.